Der 2. Literarische Wandertag in Solingen – Wandern, aber literarisch!

In der Kulturlandschaft Deutschlands finden sich eher selten Dichterinnen und Dichter, die den Menschen ihre Werke „aus eigener Feder“ auf einer literarischen Wanderung anvertrauen.

Letztes Jahr hatte ich mich schon einmal dazu entschlossen, auf diese Art und Weise deutsche Literatur zu verbreiten. Der 1. Literarische Wandertag fand in Solingen statt. Damals führte der Wanderweg die AutorInnen des Freien Deutschen Autorenverbandes/NRW und der Solinger Autorenrunde von Solingen-Unterburg bis in den Brückenpark Müngsten.

Der 2. Literarische Wandertag am 28. August 2016, wieder in Solingen, verlief durch den Gustav-Coppel-Park über die Korkenziehertrasse bis in den Südpark.

Ich konnte dieses Jahr acht AutorInnen des FDA aus Nordrhein-Westfalen und der Solinger Autorenrunde sowie den Solinger Musiker und Poeten Bernd Möller für die Mitwirkung am Wandertag gewinnen, was mich sehr freute. Möllers Liedkunst bewegt die Menschen, denn sie bringt in einer Balance zwischen Melancholie und Heiterkeit häufig Gefühle zum Ausdruck, die jedermann in sich weiß. Mehrmals brachte er sich, wie schon letztes Jahr, mit seinen Liedern ein.

Thema im Jahr 2016 war „Stadtluft macht frei“. An acht verschiedenen „Lesepunkten“ wurde vorgelesen. Jede Autorin, jeder Autor hatte maximal fünfzehn Minuten Lesezeit zur Verfügung. Treffpunkt für den Beginn der Wanderung um 15 Uhr war das Coppelstift in der Solinger Wupperstraße. Hier gesellten sich auch schon die erste Gäste hinzu. Und los ging es – der diesjährige Weg war besonders abwechslungsreich! Er führte ja zunächst in den Gustav-Coppel-Park, eine sehr geschätzte Grünanlage, wo Menschen sich ungestört erholen und die Natur genießen können. Dieser Park ist nach dem bedeutenden Solinger Industriellen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert benannt worden. Weiter ging es über Korkenziehertrasse bis in den Südpark mit dem Alten Bahnhof, wo das Produktforum ansässig ist.

Kulturelles Erleben und Unterhaltung für AutorInnen und Gäste waren für mich das, was mit dem literarischen Wandern erreicht werden sollte, aber auch das Gemeinschaftserlebnis inmitten der Natur. Diese soll nicht nur die schöne Kulisse für die literarischen Darbietungen sein! Kultur und Natur gehören zusammen, und wem dies bewusst ist, kann die Natur mit größtem Vergnügen „literarisch erwandern“.

Martina Hörle – die bekannte Literatin, Journalistin und Veranstaltungsorganisatorin von der Solinger Autorenrunde – machte den Anfang mit ihrer Lesung auf der Aussichtsplattform mitten in der Grünanlage. Sie las unter anderem die Geschichte „Unhörbare Melodie“ – getragen von der melancholisch-heiteren Stimmung unter den Zuhörern, die ringsherum saßen. Mit „Nachbars Urlaub“ ging sie auf das zentrale Problem „Schein/Sein“ der menschlichen Existenz ein. Alsdann wanderten wir zum sehr beschaulichen Ententeich weiter, vor dem dann die Solinger Autorenrundlerin Beate Kunisch las. In „Schönes Wochenende“ erzählte sie davon, was eine Frau beim Kauf eines Bikinis erlebte. „Der Spatz“ war ein schönes, heiteres Gedicht. Den Pavillon im unteren Teil der Anlage hatte ich als Lesepunkt für Dr. Manfred Luckas aus Köln vorgesehen, den FDA-NRW-Landesvorsitzenden, der mit blitzgescheiten und fantasievollen Textcollagen aufwartete. Dr. Luckas wusste durch seine engagierte Darbietung gewissermaßen Asphalt und Wiese miteinander zu versöhnen. So las er auch Texte, in denen er seine Berliner Zeit thematisierte:„Sportpalast“ und „Summertime“. Am Hippergrund, Ausgang Klingenstraße, galt es dann auf die Korkenziehertrasse zu wechseln. Wie schön, dass der Wettergott uns seine Gunst nicht versagte! Zeitig und bestens gestimmt waren wir schon drauf und dran, die Treppe zur Trasse hochzugehen. Doch dann wurde entschieden, dass auch Christiane Trunk von der Autorenrunde unmittelbar auf der Trasse liest. Das tat sie dann mit ihrer ruhig-gelassenen Art des Vorlesens, für die sie bei den Solingern bekannt ist. Über den „Wilden Westen“ in einer deutschen Metropole reflektierte sie. In „Sommer in der Stadt“ erinnerte sie sich an Alltagsereignisse im „Abraxas“, der Düsseldorfer Szenekneipe. Aus Mettmann war die bekannte Künstlerin und Lyrikerin Maria Stalder angereist, die schon viele Jahre Mitglied im Freien Deutschen Autorenverband/NRW ist und auch im Landesvorstand saß. Vor Sitzbänken gegen den Autoverkehr im Hintergrund anlesend  – schließlich ist Solingen durchaus eine hektische Großstadt zu nennen, die eben der Stätten der Ruhe, Natur und Kultur bedarf – traf sie genau, worum es bei jeder literarischen Wanderung inhaltlich geht: Kultur/Natur als lange Schnittstelle, auf der wir Stadtmenschen uns alle vorsichtig bewegen müssen. Sie las unter anderem „Atmosphären der Stadt“: Über das, was am Rhein so geschieht, wenn sich dort die Bürger tummeln. Und weiter zog die Gruppe der Vorleser und Gäste auf der Korkenziehertrasse, wo auch an diesem Sonntagnachmittag der eine oder andere Radfahrer unterwegs war.

Am Gleisdreieck setzte ich, Kay Ganahl, mich auf eine der Bänke. Neben mehreren Gedichten las ich kritische Prosatexte vor, nämlich auch „Mit wilden, langen Schwingen“, ein Fantasy Short Short, in welchem Kampfdrohnen problematisiert werden und „He, Leute“. In letzterem wird – in etwas scherzhafter Form – die drohende Polkappenschmelze mit ihren Auswirkungen auf den Alltag der Menschen als Thema aufgegriffen. Die Thematisierung von derartigen Problemen kann immer besonders zum Nachdenken anregen. Der nächste Literaturpunkt war ein Rasenplatz mit hohen Bäumen an der Trasse. Er wartete schon auf seine Vorleserin … zu Anfang unserer Wanderung hatte ich erstmals die neue FDA-Kollegin Gigi Louisoder aus Bad Honnef begrüßen dürfen, deren literarische Direktheit beim Aufgreifen von Problemthemen der Gegenwartsgesellschaft hochinteressant ist. Ihre Geschichte „Gewissenlos“, die Vertrauen und Verrat zum Inhalt hat, las sie ruhig und gelassen vor, wodurch sie die Zuhörer ganz in den Bann der Geschichte ziehen konnte. Entlang den Ateliers und Galerien in den „Güterhallen“ wanderten wir dann, um zum Alten Bahnhof im Südpark zu gelangen, vor dem der Solinger Autorenrundler Andreas Erdmann dem 2. Literarischen Wandertag in Solingen einen sehr gelungenen literarischen Schlusspunkt mit seinen Beiträgen „Stell Stond“ und „Eine Reise nach Ea“ setzen konnte. So real und irreal zugleich die erfundene „Reise“ in der Geschichte auch auf den Zuhörer gewirkt hat, Erdmanns Leseauftritt unter dem Baum links vor dem Produktforum war jedenfalls höchst real. Gut ist, dass es so viele fantasiebegabte Literaten gibt! Gut auch, dass es Poeten wie Bernd Möller gibt, die ihre Texte dem geneigten Publikum singend mit der Gitarre darbieten, um damit dem 2. Literarischen Wandertag noch eine zusätzliche Note zu verleihen …

Kay Ganahl, Organisator

 

Besprechung der Veranstaltung – „Solinger Bote“

http://solinger-bote.de/nachrichten/2016/08/30/literatur-von-coppelpark-bis-suedpark/

Besprechung der Veranstaltung – „Solinger Tageblatt“

Literar WT 2016Artikel im ST