„So ein Donnerwetter!“ Lesung in ElkeS-Art Salon

Elke Seifert und Bernd Möller

Rückblick von Kay Ganahl

Ein „Donnerwetter“ zu erleben ist sicher nicht immer ein Vergnügen. Man kann sich auch sehr viel unter diesem Wort vorstellen. Was sich am 9. November 2019, 19 h in Düsseldorf-Garath mehrere bekannte AutorInnen aus Nordrhein-Westfalen darunter vorstellten, erfuhr man während der literarischen Lesung „So ein Donnerwetter!“

P. Lötschert, H.M.Sega, B.Möller

Kay Ganahl organisierte und moderierte zusammen mit Elke Seifert, der Geschäftsführerin des Westdeutschen Autorenverbandes und Leiterin von ElkeS-Art Salon diese literarische Lesung, die mit (in Reihenfolge des Auftretens) Martina Hörle (Solinger Autorenrunde) – Halina Monika Sega (Fr. Dt. Autorenverband-NRW) – Kay Ganahl (Solinger Autorenrunde, Fr. Dt. Autorenverband-NRW) – Petra Lötschert (Fr. Dt. Autorenverband-NRW, Westd. Autorenverband) – Annette Oppenlander (Solinger Autorenrunde) und mit Elke Seifert (Westd. Autorenverband) in einer schauspielerischen Rolle nach der Veranstaltungspause realisiert wurde.

Das Thema lud zu einer explosiven Vielfalt der Darbietungen ein. So kam es dann auch. Die Lesung war ein kulturelles Vergnügen. Fünf unabhängige, originelle AutorInnen auf einer winzigen Kulturbühne bewiesen ihr Können, womit sie eben auch auf ihr jeweils beachtliches literarisches Schaffen hinwiesen. Auch das ist bei Lesungen wichtig.  

Martina Hörle

Martina Hörle, Solinger Journalistin und Schriftstellerin, begann mit einem ruhigen, aber doch auch sehr eindringlichen literarischen Beitrag. Sie arbeitet gerade an einem Buch mit mystischen Geschichten. Die folgende Halina M. Sega aus Gladbeck setzte sich davon mit einem großen mimischen und lauten Donnerwetter in der Darbietung eines Romanauszuges aus ihrem „Yvette und die Gewitterhexe“ (2018) ab.

Elke in Aktion

Alles fand eine schauspielerische Fortsetzung mit Elke Seiferts Auftritt. Nach einer künstlichen Verzögerung, um Spannung aufzubauen, erschloss sich dem Zuschauer dann wirklich, was ein Donnerwetter im Extremfall sein kann: Dramatik pur. Elke Seifert wirkt sehr expressiv in ihren Rollen.

Die ausgedehnte Veranstaltungspause wurde für Gespräche, Diskussionen und für den Austausch von Informationen genutzt, was immer als sehr sinnvoll erachtet wird. Keine Lesung ohne Pause oder das „kultivierte Danach“, denn auch die persönliche Kommunikation ist von Bedeutung!

Kay Ganahl

Kay Ganahl (Solingen) las als nächster lässig und amüsant-expressiv seine noch unveröffentlichte Geschichte „Dr. Nihil. Ich denke den Geist der Verneinung!“, in der Satire und Fantasy anklingen. Besonders beeindruckend, weil äußerst unterhaltsam wegen des konkret-tatsächlichen politischen Zeitbezugs, war Petra Lötscherts (Düsseldorf, Koblenz) Glosse auf einen der prominentesten redseligen und erfolgreichen Politiker im Lande.

Annette Oppenlander

Nach ihr kam die Solingerin Annette Oppenlander, die aus ihrem Buch „Vaterland, wo bist du? Roman nach einer wahren Geschichte“ (2019) las. Annette Oppenlander hat schon mehrere Romane in den USA veröffentlicht. Sie ist eine sehr erfahrene, übrigens auch preisgekrönte Autorin. Mit dem Werk, aus dem gelesen wurde – einer Übersetzung vom Englischen ins Deutsche – knüpft sie an die USA-Erfolge an.

Petra Lötschert

So wurde geistreiche Unterhaltung auf diese Bühne gebracht, auf welcher schon so mancher Literat, Musiker und Künstler seiner Kreativität Auslauf gegeben hat. Dieses Kellertheater – ElkeS-Art Literatursalon – hat etwas Heimeliges, dem man sich kaum entziehen kann, aber eben auch nicht möchte. Denn wer auf den Publikumssitzen Platz genommen hat, wird aufgrund der Nähe zur Bühne sofort gebannt. Dabei geschieht durchaus eine emotionale Verschmelzung von Akteuren und Publikum – die positiv-kreative Stimmung, die auf der Stelle um sich greift und die ganze Räumlichkeit erfasst, ist dafür entscheidend.

Dies wurde an diesem Abend eben genauso erfahren. Und dass Bernd Möller, Solinger Gitarrist und Sänger, zum Schluss einen für diese Veranstaltung geschriebenen Song zum Besten gab, war das Tüpfelchen auf dem I.

WAV, FDA-NRW und die Solinger Autorenrunde bringen Ideen auf die Bühne. Stimmungsvolle und geistig anregende Veranstaltungen muss es weiterhin geben. Sonst würde unsere deutsche Kultur nämlich veröden.

Fotos von Kay Ganahl und Ingo Piel

Weitere Lesungen

Wie freuen uns, weitere Lesungen bekanntzugeben.

„So ein Donnerwetter“

ElkeS-Art-Salon Julius-Raschdorff-Straße 63 40595 Düsseldorf, Samstag, den 9. November 2019 um 19 Uhr (Einlass ab 18.45 Uhr) Eintritt 15,- € inclusive Buffet und Getränke, Karten sind im Vorverkauf erhältlich, Tel. 0211-7052556

Moderation Kay Ganahl und Elke Seifert 

 „So ein Donnerwetter!“ wird wohl eine tiefe Schau in Literaten-Seelen sein. Wir sind auch nur Zeitgenossen in ein und derselben Gesellschaft. Diese birgt eine Menge Sprengstoff in sich, zumal geistigen. Das ist nicht zu unterschätzen!

Der gute Autor stellt sich dieser Tatsache, schreibt und schreibt, um sich frei zu schreiben vom Druck, vom Stress, vom … was auch immer es konkret sein mag. Die zweite, künstliche Realität von literarischen Schöpfungen entsteht! Wahrlich, auch Grenzlinien verschwimmen. Wer kreativ sein kann, sollte jegliche Kreativität auch nutzen, um Grenzen sogar zu überschreiten … hier … jetzt …

Ach, Krach! Welcher! Warum? Es wird dazu kommen – aber nur in den Texten …Jedenfalls darf es auch Unterhaltung sein, ja! Doch die höchste Anforderung, die wir an uns stellen, ist die inhaltliche Qualität dessen, was wir schreiben.

Es treten an diesem Abend auf: Petra Lötschert, Düsseldorf; Halina Monika Sega, Gladbeck; Annette Oppenlander, Solingen; Kay Ganahl, Solingen; Martina Hörle, Solingen

„Bald ist Weihnachten“

Weihnachtliche Lesung und Unterhaltung im Josef-Haus, Solingen (Für Anwohner)

Mittwoch, 4. Dezember 2019, 16 Uhr
Annette Oppenlander & Kay Ganahl
Kapelle im Josef Haus Solingen, St. Augustinus Gruppe, Schützenstraße 217, 42659 Solingen

Ein Gartenfest der besonderen Art

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gruppe hört einem Leser zu

Am Sonntag, dem 7. Juli nahm die Solinger Autorenrunde am Gartenfest der Monheimer Bibliothek teil. Bei angenehmem Wetter, umrahmt von Bäumen und Mauerwerk, trafen sich Literaturgesinnte, um ihre Werke vorzutragen und Gleichgesinnten zuzuhören. So vielfältig die Autoren/Autorinnen, so vielfältig war das Programm.

Es gab Gedichte über Glück und Sonnenblumen, Lustiges über die ‘F.Ledermaus’ und das Ergattern eines Wohnberechtigungsscheins, Ernsthaftes über das knappe Entkommen Walter Mehrings vor der SA und der Kinderlandverschickung im Dritten Reich, Auszüge aus Kurzgeschichten, Büchern und Sammlungen. Zwischendurch unterhielt uns Bernd Möller mit wunderbaren Liedern und Gitarre.

Wir danken der Bibliothek Monheim für die Einladung, die tolle Verpflegung und das rundum gelungene Programm.

Mehr Fotos finden Sie auf unserer Facebookseite.

Achtung Vormerken!

1. September 2019: Literarischer Wandertag, Vorwerkpark Wuppertal, 15 Uhr

Begleiten Sie uns auf dem fünften literarischen Wandertag, hören Sie wunderbare Geschichten der Solinger Autorenrunde und verschiedener literarischer Gäste. Dabei laufen wir jeweils einige Minuten und pausieren dann für Lesungen und musikalische Unterhaltung.

„Blicke auf Literatur und Leben“

Eine Rezension von Hans Bäck – Kapfenberg (Österreich)

Wenn gute Freunde, liebe Kollegen ein Buch herausbringen, ist man als Rezensent gefordert. Erstens muss man, soll man alle persönlichen Befindlichkeiten hinter sich lassen, anderseits soll man/muss man auch die persönlichen Kenntnisse von einander berücksichtigen.

Und von da an wird es schwierig.

Ich versuche es trotzdem. Dabei will ich nicht in der Reihenfolge der abgedruckten Texte vorgehen, ich werde mich an den einzelnen Autoren abarbeiten und beginne gerne mit meiner lieben verehrten

Dagmar Weck: Sie ist mit vier Texten vertreten. Allen ist gemeinsam, dass die Frauen in diesen Texten ihre Probleme mit den Männern haben, es sind immer wieder dominierende Typen, die letztendlich gar nicht so stark sind und die Frauen dann sehr bald die Verbindungen kappen. Eine Geschichte (Zara undAngus) führt uns in ferne – nein gar nicht so ferne und unbekannte Welten, diese sind uns näher als uns lieb sein kann. Weck nimmt hier eine Zukunft vorweg, vor der uns eigentlich das Fürchten befallen sollte. Immer schon haben die Schriftsteller den Nimbus gehabt, als Propheten, als Verkünder von Unheil zu fungieren. Denken wir nur an die vielen geheimnisvollen – vor allem Frauen – in der Geschichte, die Wahr- oder Vorhersagten. Die Menschen in dieser Geschichte, man fragt sich von Zeile zu Zeile, sind das noch Menschen wie Du und Ich oder sind es schon totale Zombies? Dagmar Weck lässt dies offen, es unserer Beurteilung überlassen. Visionen, die nicht unbedingt erfreulich sind!

Dagmar Schenda: ist eine jener Doppelbegabungen, die man immer häufiger antrifft. Sie zeichnet, malt und entwirft das Cover für ihre Bücher selbst. Was stellt sie in diesem Band vor? Beginnt sinnvollerweise mit den Problemen jener, die plötzlich sich mit den Errungenschaften eines Bill Gates herumschlagen müssen. Im Klartext, wie es jedem geht, der sich mit Textverarbeitung, Word und anderen Geheimnissen der IT herumschlagen muss. (Fast) jeder hatte diese Erfahrungen selbst machen müssen, es gibt nicht so viele Glückliche wie den Rezensenten, der von Anbeginn mit Mac, mit Apple arbeiten konnte und daher diese Erzählungen eben nur aus der Sicht der Betroffenen kennt. Vielleicht eine Warnung, eine Anregung, an die vielen Software-Entwickler, einmal nachzudenken, was es mit der Forderung von STEVE JOBS und STEVE WOZNIAK auf sich hatte: Jedes Produkt, jedes Programm geht erst dann hinaus, wenn es auch die Oma versteht! Jedenfalls Dagmar hat diese Schwelle überwunden, im nächsten Text „Die Abenteuer von Papa“ schildert sie ihr Leben, vom Mädchen, dem der Papa die Geschichten erzählte bis zu jener jungen Frau, die nun diese Geschichten selbst erfand. Ein einsamer Gymnasiallehrer der ein kostbares Buch gefunden, das ihm wichtiger als alle Lebensfreuden war, junge Schülerinnen vermied er ebenso (war auch für ihn  besser) als Freudenmädchen, nur um das eine Buch ging es ihm. Auch in der Geschichte von Rosalinde, Kurt und Claude geht es vorrangig um Bücher, doch lässt die Autorin dabei ihre geheime Leidenschaft zum Durchbruch kommen. Was heißt geheime Leidenschaft? Wer die Homepage der Autorin anschaut, wird sehr bald über die „geheimen Vorlieben“ von Dagmar Schenda Bescheid wissen! Im abschließenden Text beschäftigt sich die Autorin mit den verschiedenen Bezeichnungen, Wörtern welche die menschliche Fortbewegung in der Literatur, in der Umgangssprache beschreiben.

Kay Ganahl ist der Wissenschaftler unter den drei Autoren. Jeder seiner Texte beschäftigt sich mit literarischen Problemen und Fragen: Unser ‚letztes’ Buch, strahlend, selbst sich auflösend, zerfallend, alles fließt, bewegt sich fort, wird unendlich. Natürlich, das Lesen ist für einen Büchermenschen wie Kay existenziell, dann muss er erleben, wie eine attraktive Nachbarin ein Buch ausborgt, noch dazu Kafkas Schloss, nur um vorzugaukeln auch sie habe ein Buch! Reflexionen über das Studium, Gedanken zum Lesen an sich, die Wandlung der Stellung des Schriftstellers in der Gesellschaft und damit ein Blick auf den „Literaturbetrieb“ früher und heute. Ein hochinteressanter Essay erkundet das Schriftsteller-Ich, autobiografische Notizen und viele andere Texte runden das Bild ab, das sich der Leser von Kay Ganahl danach machen kann.

Eine Fülle an Gedanken, Ideen, Einfällen. Man merkt, hier schreibt einer, dem das Herz, die Feder übergeht, den es danach drängt, endlich, endlich all das auszudrücken, was ihm am Herzen lag. Der Rezensent erlaubt sich einen kleinen bescheidenen Einwand: Weniger wäre mehr oder zumindest genug gewesen.

Es muss unheimlich schwierig sein, drei so unterschiedliche Autoren zu einem gemeinsamen Buch zu bewegen, was dabei zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss: Der gemeinsame Rote Faden. So ist es eine Ansammlung von total unterschiedlichen Texten, die leider kaum einen Zusammenhang haben. Ich gebe zu, das wäre schwierig gewesen, doch bei einer anderen Auswahl der Texte beispielsweise der beiden Autorinnen, wäre der Sozialwissenschaftler Kay womöglich weitaus stärker zur Geltung gekommen. So wirkt seine Vermischung von Essay, wissenschaftlichem Beitrag und Short Story etwas willkürlich zusammengetragen.

Jedenfalls ein erfreuliches Lebenszeichen aus dem Kreis der Autoren des FDA NRW!

Prosatexte, Gedichte, Essays, Autobiografisches
Shaker Media GesmbH
ISBN 978-3-95631-692-0

Kay Ganahl (Hrsg.), Dagmar Weck, Dagmar Schenda

Vorschau über unsere dieses Jahr geplanten Aktivitäten

7. Juli 2019:
Lesung auf dem Sommerfest der Bibliothek Monheim/Rhein.
Thema ist frei wählbar.

1. September 2019:
Fünfter Literarischer Wandertag durch den Vorwerk-Park in Wuppertal
Thema: „Wir nehmen uns Zeit!“

6. September 2019:
Lesung Mülheimer Lesebühne.
Thema: „Literatur ist immer gut.“

9. November 2019:
Lesung in ElkesART „Literarischer Salon“ in Düsseldorf-Garath.
Thema: „So ein Donnerwetter!“

7. Dezember 2019:
Lesung in der Destille, Düsseldorf.
Thema: „Wundertüte“

5. Literarischer Wandertag: »Wir nehmen uns Zeit!«

Archivfoto: Lesung im Coppelpark Solingen

Die Mitglieder der Solinger Autorenrunde werden auch in diesem Jahr einen Literarischen Wandertag veranstalten. Er führt uns durch den idyllischen Vorwerk-Park in Wuppertal.

An speziell ausgesuchten Leseplätzen werden wir eine kleine Auswahl unserer eigenen Texte zum Besten geben. Untermalt wird die Lesung auch diesmal wieder durch Musik. Mehrere Mitglieder des FDA werden ebenfalls unsere literarische Runde verstärken.

Natürlich sind wir bestrebt, möglichst viele Gäste zu begrüßen. Jeder Literaturinteressierte ist willkommen! Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Veranstaltung: 1. September 2019
Treffpunkt:
 Vorwerk-Park, Adolf-Vorwerk-Straße 33, 42287 Wuppertal
Uhrzeit: 15 Uhr
Dauer: Ca. 2,5 Stunden

Weitere Informationen werden zeitnah bekanntgegeben.

Monatsgeschichte für den Monat Januar 2019

ALS VERSAGERIN BEI WECKERS

Kay Ganahl

Vorne ist ein leicht bewaldeter Hügel zu sehen. Hinter ihm, gerade noch von hier aus erkennbar, eine weiße Kapelle, zu der nur noch ab und zu Touristen den Weg finden:  Japaner, Engländer, manchmal auch Touristen aus anderen Ländern. Der Hügel ist einer von mehreren in dieser landschaftlich ziemlich reizvollen Gegend. Die Besiedlungsdichte hier ist sehr dünn, auf diesem besagten bewaldeten Hügel hat eine Familie ihr bescheidenes Domizil, das sie ungern verlässt. Früher wurde auf diesem Hügel wie überall in der Gegend mal rege gewirtschaftet – die Landwirtschaft nahm einen breiten Raum ein. Auf den Tourismus war man nicht angewiesen! Seitdem die Landwirtschaft nicht mehr rentabel ist, wird auf sie fast ganz verzichtet. Seit dem Aufkommen des Tourismus wurde in der Gegend überall die Infrastruktur wesentlich verbessert, gewissermaßen ist erst mit ihm die Zivilisation richtig eingezogen, wenngleich so mancher Senior meint, dass es früher viel besser gewesen sei. Die Jüngeren haben sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung abgefunden. Es gibt durchaus den einen oder anderen Bewohner der Mroder Gegend, der die neue Zeit hoch schätzt. Zum guten Ton gehört es bei den Bewohnern aller Hügel und der Kleinstadt Mrod, dass gesagt wird „Uns geht es doch auch gut!“.  Kurzum, irgendwie finden sich fast alle, die hier zu Hause sind, zurecht. Aber man hat noch nicht gehört, dass irgendjemand die neue Zeit der touristischen Heimsuchung als große Zeit bezeichnet hätte, denn das ist sie offensichtlich nicht.

Die aparte 15jährige Beatrix gehört seit Langem zur Familie, die auf diesem einen bewaldeten Hügel nahe Mrod wohnt, aber trotzdem anerkennt man sie nicht als vollwertiges Familienmitglied. Die vielen Jahre haben daran nichts geändert, es sind nun schon fast zehn. Ihre Pflegefamilie, die Familie Wecker, ist in Mrod als Familienhügel-Familie bekannt. Haushaltsvorstand Kurt Wecker, von Beruf Elektroniker, findet diese Bezeichnung unerträglich, aber die Beschwerden bei allen möglichen Kleinstädtern haben nichts genutzt: die Weckers haben den Ruf als Deppen vom Lande nun einmal weg.

Wenn die auch als reichlich vorlaut geltende Beatrix , was selten vorkommt, mit ihrem portablen CD-Player, Knopf im Ohr, allein durch Mrod geht, dann fühlt sie sich schon viel besser als in ihrer Pflegefamilie aufgehoben, wenn auch bei weitem kein Glücksgefühl aufkommt, was ihr aber nicht so viel ausmacht.  Gern würde sie in die Kleinstadt ziehen. Pflegevater Kurt wird es ihr nicht erlauben, weshalb sie nur noch darauf wartet, endlich volljährig zu werden. „Die Mroder sind aufgeschlossener, netter, umgänglicher!“ tönt sie in ihrer Familie häufig herum, kein Wunder, dass sie Pflegemutter Maische als „Verrückte“ hinstellt. Immer wieder sucht sie den Konflikt mit ihrer Pflegetochter, die ihrerseits um keine beleidigende Erwiderung verlegen ist, was in der Familie für eine Grundstimmung sorgt, die für Beatrix natürlich auf Dauer inakzeptabel ist. Die Mroder kennen Beatrix, sie mögen sie sogar. Ja, die Mroder, genauer: Edelfriseur Lagarde, der in seinem Salon allerhand fachliche Dienstleistungen anbietet, hat ihr schon eine Ausbildungsstelle offeriert. Noch hat Beatrix das nicht angenommen. Bald wird sie ihren ersten Schulabschluss in der Tasche haben – dann steht eine weitere wichtige Entscheidung an, nämlich ob sie weiter zur Schule geht oder nicht. Sie könnte sich eine höhere berufliche Zukunft vorstellen. Heutzutage geht man lange zur Schule, wenn es irgend geht.

Die missliche Grundstimmung bei den Weckers, die eben auch deswegen misslich ist, weil Beatrix als Mensch nicht anerkannt wird, trägt nicht dazu bei, dass Beatrix auch nur die geringste Anhänglichkeit zu ihrer Pflegefamilie entwickelt hat. Sie kann es nicht mehr abwarten, wegzukommen. Nur zu gern will sie auch jetzt schon mit Jungen ausgehen und „das Leben genießen“, sie selbst sein und  machen, was ihr wichtig ist! Sie will bei anderen, ihr gewogenen Menschen Zuneigung, sogar Liebe erwerben. Das muss möglich sein.

Wenn das schon sehr bald Realität werden soll, so muss sie dem anstrengenden Alltag in Familie und Schule entfliehen, doch gerade das will sie nicht: keine Flucht! Das wäre peinlich! Natürlich will sie sich die Zukunft nicht durch voreilige Schritte verbauen. Den Schulbesuch hält sie mindestens bis zum anstehenden ersten und so wichtigen Abschluss für absolut notwendig. Vielleicht denken viele ihrer Mitschüler so. Sie denkt jedenfalls so!

Wie schon deutlich gemacht, ihr Alltagsleben findet sie anstrengend, manchmal fast unerträglich – also kriecht sie nur mehr durch ihren Alltag (jede Streiterei mit ihrer Pflegemutter ist durchaus eine Abwechslung), dieses quälende Alltägliche: steht morgens auf, zieht sich an, geht in den Frühstücksraum im Haus ihrer Pflegefamilie, findet Elterliches nur noch öde, zerbricht zufällig-versehentlich Becher, Tassen oder Kaffeekannen. Immer will sie am liebsten wieder ins Bett zurück, um den Morgen mit Schlafen zu verbringen, doch „Der Schulunterricht ist ein Muss. Noch. Noch! Ich treffe Entscheidungen …!“  Die Pflegeeltern sitzen mit am Frühstückstisch und zeigen, wie gelangweilt sie sind. Sie sagen kaum etwas, ihre Autorität halten sie für das Selbstverständlichste auf der Welt. Und so sind Fragen nicht erlaubt. Ein freundliches, offenes Miteinander am Frühstückstisch und auch später am Tag ist undenkbar. Ihr oft vorkommendes abfälliges Grinsen, das in Richtung Beatrix geht, beweist ihr ein ums andere Mal, dass sie in dieser Familie längst nur noch geduldet ist!

„Wenn das so … beschissen … sorry … bleibt, unendlich fade und trist, dann muss ich ausbrechen!“ entfährt es ihr einmal, aber selbst in diesem Augenblick der Bloßstellung der Pflegefamilie sagt Kurt, der Haushaltsvorstand, nicht mehr als „Wenn du meinst, du Biest!“ Beatrix würde diese Äußerung jederzeit wiederholen, wenn es einen Nutzen hätte, jedoch ist selbst so eine Äußerung nur in den Wind geblasen, wenn daraus keine offene Auseinandersetzung wird, in der Beatrix nicht unbedingt schlecht aussieht. Für sie ist eine offene Auseinandersetzung besser als die immer größer werdende Gleichgültigkeit ihrer Pflegeeltern, die mittlerweile sehr nervt. Geschäfte, Geschäfte, Geschäfte: darum geht es der Familie Wecker im Grunde nur.

© Kay Ganahl

Monatsgeschichte für den Monat Oktober 2018

Herbst

Der goldene Wald seufzt
Arbeitslos und welkend
Sich auf das kalte Alter vorbereitend
Stürme weisen auf den Lebensabend hin
Nebel flüstern leise ihren kühlen Hauch
In die morschen Baumglieder

Der Abend singt sein raues Schlaflied
Bis die Bäume kaum hörbar schnarchen
Zwischen Sommer und Winter
Verschenken sie ihre warmfarbigen Sonnenblätter
Bis sie sich nackt schämen
Und auf die weiße Decke warten,
die sie im Winter wärmt.

© Beate Kunisch

„Vom Jagdfieber gepackt“ – oder auch „Wer jagt hier wen?“

Ich bin Lucky, und ich muss euch was erzählen.

Gestern war ich mit meinem Frauchen Gassi gehen. Das tun wir mehrmals am Tag. Ich find’s toll. Alles voller Gerüche. Manchmal hat mir Tobi, der Dackel von nebenan, eine Nachricht dagelassen. Und einen Duft erkenne ich sofort, den von Lucy. Dann bin ich ganz aufgeregt. Sie ist eine sehr vornehme Pudeldame, immer nach der neuesten Mode geschoren. Ich habe schon oft versucht, ihr näher zu kommen. Es ist nicht einfach, sie ist zickig.

Aber ich schweife ab. Also: Ich war mit Frauchen auf dem Weg zum Wald. Sie lässt mich immer nur an der Leine laufen. So was Albernes. Sie selbst läuft frei herum. Joggen nennt sie das. Sieht aus wie rennen, ist aber viel zu langsam. Ich weiß, wie man richtig rennt, aber ich darf nicht.

Stellt euch vor: Da sitzt ein dicker Hase im Gras. Frauchen läuft genau in seine Richtung. Sie läuft und läuft. Doch das wird nichts, sehe ich schon. Nun renn doch! So fängt sie den Hasen nie. Ich will von der Leine, belle so laut ich kann. Doch sie lässt nicht locker. Der Hase schlägt Haken und macht sich aus dem Staub. Och nee. Ich krieg den noch. Ich kann richtig rennen. Mach mich doch los!

Da, endlich. Diese doofe Strippe rutscht ihr aus der Hand. Jetzt zeige ich ihr, wie schnell ich bin. Aber wo ist der Hase? Ich renne dahin, wo er eben noch war, schnüffle überall – nichts. Renne weiter, Frauchen hinterher. Plötzlich kann sie schneller. Und da bleibt auch noch der Strick im Gestrüpp hängen.

Ich ziehe und zerre und… Dann ist Frauchen da. Sie macht die Leine von dem Gestrüpp los und wickelt sie fest um ihre Hand. Dabei schimpft sie ständig mit mir, weil ich mich losgerissen habe. Sie hält die Leine so kurz, dass ich direkt neben ihr gehen muss, ganz langsam. Sie kann echt blöd sein. Losgerissen, püh! Ja, was bleibt mir denn anderes übrig? Seien wir mal ehrlich: So wie die läuft, wird sie nie was fangen.

© Martina Hörle