Monatsgeschichte für den Monat November 2017

Für unsere neue Monatsgeschichte liefert Kay Ganahl diesen satirischen Beitrag.

Eine Geschichte der Hörigkeit
Kurzprosa in satirischer Absicht
(unveröffentlicht)

Das ist ja eben diese Liebe zu Jo, diesem Monster von Mann, dem ich zur Verfügung stehe. Durch ihn erfahre ich ständig eine Entwicklung meiner Persönlichkeit, die darin besteht, dass er mich ruft und ich komme. Er lässt mich manchmal durch seinen Butler Harry, der im Maserati anfährt, später am Abend abholen, was mir so gar nicht gefällt. Unauffällig soll alles sein, unauffällig!

Heute! Ich habe mich in Schale geworfen. Wir fahren zu Jo. Dieser empfängt mich im Halbdunkel am Rande des schmutzigen Tümpels, – im Hintergrund die hohen Wipfel von Bäumen, die für die Abholzung vorgesehen sind. Blinkende Schornsteine der Großstadt und leuchtende Hochhausspitzen sind für mich weitere flüchtige Ablenkungen.

Mein Jo lässt mich sofort himmelhochjauchzen – das Alte ist fort, das Neue blickt mich in seiner umwerfenden Gestalt an!

Es steht mir ein Mann gegenüber, ein mir klar überlegenes Geschöpf, welches seine Arroganz nicht verschleiert oder versteckt, sondern ganz unmittelbar zeigt. Jos Männlichkeit bannt mich, ich gehöre …. ich gehöre ihm.

Die Primitivität seiner Lebensäußerungen kann mich immer und immer wieder davon überzeugen, dass er der Richtige ist. Keine Fragen mehr. Keine hintergründigen Reflexionen über irgendetwas, was zu klären wäre!

Oh, schön! Oh, schlecht!

 Sogar schon in meinem Alter, denke ich nun, habe ich eine wahre Beziehung zu einem Mann! Sie ist ursprünglich und dermaßen schlecht, abgründig schlecht, dass ich die absolute Liebe empfinden kann. Ist das so!?

Am Tümpel ergeben wir uns dem Ursprünglichen – Gefühlsströme reißen mich mit. Sind sie echt!?

Jo weiß, dass er mich voll und ganz in sich aufnehmen kann. Er wird es wohl auch tun.

Ich will mich verlieren. Will ich das wirklich – !?

(© Kay Ganahl, 2017)


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