Monatsgeschichte für den Monat April 2018

Berge haben Charakter

Seit Anbeginn aller Zeit gibt es Berge, steinerne Zeugen von Vergangenheit und Gegenwart. Unbeirrt stehen sie da, reglos und schweigsam. Doch sind sie nicht tot, wie man meinen möchte. Oft machen sie durch spektakuläre Aktionen von sich reden, manche mehr, andere weniger.

Hier zeigt sich die Unterschiedlichkeit der Charaktere. Allen voran das Matterhorn. Eigensinnig und dickköpfig will es verhindern, dass Menschen auf ihm herumklettern. Nicht umsonst trägt es den Beinamen „König und Killer der Alpen“. Kein anderer Berg hat bislang so viele Opfer gefordert.

Die Annapurna steht ihm in nichts nach. Der weibliche Todesberg aus dem Himalaya hat einen extrem lawinenreichen Lebenslauf. Das „Dach der Welt“, der Mount Everest, will partout vermeiden, dass ihm die Menschen aufs Dach steigen. Er ist ein außerordentlich intoleranter Achttausender. Trotzdem hat er sich gegen viele Menschen nicht durchsetzen können. Schließlich muss auch die Eiger „Mordwand“ mit ihren Launen Beachtung finden.

Doch sollte man nicht davon ausgehen, dass alle Berge bösartig sind und den Menschen schaden möchten. Manchmal wehren sie sich nur mit den ihnen gegebenen Möglichkeiten. So auch der Mount McKinley in Alaska. Er lässt die Bergsteiger nicht abstürzen und setzt keine Lawinen ein. Er nutzt seine klimatischen Möglichkeiten, wie Kälte und orkanartige Stürme. Passiver Widerstand führt auch zum Ziel.

Andere Berge dagegen heißen Menschen willkommen. Die Lachenspitze ist ein wahrer Bilderbuchberg, der dem Bergsteiger keine Probleme macht und ihn auch noch mit einer traumhaften Aussicht belohnt. Ebenso gastfreundlich ist der Kärntener Dobratsch, der den Bewohnern der Gegend als Hausberg sehr ans Herz gewachsen ist. Er macht es den Wanderern leicht, seinen Gipfel zu erreichen. Und dann schenkt er ihnen einen Blick, der jede Anstrengung wert ist.

Wieder andere wollen den Menschen helfen, soweit es ihnen möglich ist. Seit hunderten von Jahren geben sie her, was in ihnen steckt, und legen ihre Zugänge zu Schätzen wie Silber oder Kupfer offen. Diese Geschenke sind von großer Bedeutung für die Menschen. Tatsächlich konnte durch Zinn, Blei und Antimon eine ölhaltige Tinte hergestellt werden, die dann von einem Gutenberg genutzt werden konnte.

(© Martina Hörle: Aus der Anthologie „Der Berg bewegt sich“.)


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